Im Zentrum
der Borderline-Problematik sehen die
meisten
wissenschaftlich orientierten Arbeitsgruppen
heute eine Störung
der Affektregulation.
Die
Reizschwelle für interne oder
externe Ereignisse
(wie
z.B. Gedanken oder Phantasien , oder Erlebnisse),
die Gefühle
hervorrufen, ist
erniedrig,
d.h.
das Erregungsniveau ist hoch.
Nur
verzögert erreicht der Patient wieder das
emotionale
Ausgangsniveau. Die unterschiedlichen
Gefühle
werden von den Betroffenen oft nicht differenziert
wahrgenommen,
sondern häufig als unbestimmte
quälende,
diffuse Spannungszustände erlebt.
Diese werden
als quälende Spannung und Erregung
aber auch
als quälende innere Leere empfunden.
Es kommt
zu Körperwahrnehmungsstörungen wie
Schmerzunempfindlichkeit
und andere körperliche
Symptomen,
Wahrnehmungsverzerrungen (sog. dissoziative
Phänomene
(Veränderung des räumlichen Wahrnehmens,
des Geruchs
und der Akustik sowie
der
Gleichgewichtswahrnehmung).
Das
selbstschädigende Verhalten,
wie Schneiden, etc.
aber auch
aggressive Durchbrüche, oder erhöht riskante
Verhaltensweisen
können die aversiven
Spannungszustände
reduzieren oder die Wahrnehmung von
Gefühlen
wieder ermöglichen, was im Sinne
der
Lerntheorie das Verhalten durch sog. "negative
Verstärkung"
wahrscheinlicher macht ( der Wegfall
unangehmen
Empfindens wird als
Belohnung und
emotionale Erleichterung
empfunden)
Neben dieser
Gruppe von Patienten, die Selbstschädigungen
einsetzen,
um sich wieder zu spüren oder
Spannungszustände
zu reduzieren, gibt es eine Gruppe,
die
berichtet, nach Selbstschädigung Euphorisierung
zu erleben.
Viele dieser Patienten schneiden sich
daher
ausgesprochen häufig, z.T. täglich, und neigen
auch sonst
zu einem Hochrisikoverhalten. Sie balancieren
beispielsweise
auf Brückengeländern und
Hochhausdächern,
rasen auf Autobahnen oder verweilen
ohne
suizidale Absicht auf Bahngleisen.
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Im
zwischenmenschlichen
Bereich dominieren
Schwierigkeiten
in der Regulation von
Nähe und Distanz.
Beherrscht
von einer intensiven Angst vor dem Alleinsein
und einer
schlecht ausgeprägten intrapsychischen
Repräsentanz
wichtiger Bezugspersonen, verwechseln
sie häufig
Abwesenheit mit manifester Verlassenheit.
Sie
versuchen daher, wichtige Bezugspersonen
permanent an
sich zu binden.
Andererseits
bewirkt die Wahrnehmung von Nähe
und
Geborgenheit ein hohes Maß an Angst, Schuld
oder Scham.
Die Folge: langwierige, schwierige
Beziehungen
mit häufigen
Trennungen und
Wiederannäherungen.
Die zeitgleiche
Aktivierung
widersprüchlicher
Grundannahmen scheint
eines der
auffälligsten
Verhaltensmuster bei
Borderline-Patienten zu
sein. So aktiviert
etwa das Bedürfnis nach Zärtlichkeit und
Geborgenheit
die
Selbstwahrnehmung, gewalttätig und
zerstörerisch
zu sein.
Das
Bedürfnis nach Macht, Unabhängigkeit
und
Autonomie sorgt für einen Hunger
nach
bedingungsloser Zuwendung und Liebe, die
Wahrnehmung
sexueller Lust aktiviert massive
autodestruktive
Bedürfnisse. Das Gefühl,
jemandem
vertrauen
zu können, schlägt
um in die sichere Erwartung
einer
traumatisierenden Grenzüberschreitung. Stolz,
also die
Wahrnehmung, etwas geleistet zu haben, was
den inneren
Normen entspricht, löst Scham aus und
damit die
Befürchtung, dass die eigene Minderwertigkeit
sichtbar
wird.
Klinisch
auffällig ist auch eine passive Aktivität:
Durch
Demonstration von Hilflosigkeit und Leid wird
Kontakt und
Unterstützung gesucht. Die Betroffenen
stellen sich
vor, wenn das Gegenüber tatsächlich
wahrnehmen
würde, wie schlecht es ihnen geht, hätte
es die
Macht, ihr Befinden erheblich zu verbessern.
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